Eine Kooperation zwischen der IGS Friesland Nord und der Landesbühne Nord
Wir, der Kurs „Darstellendes Spiel“ des 12. Jahrgangs, hatten das Glück, dass wir als Patenklasse das Stück „Unschuld“ von Dea Loher in der Inszenierung von Eva Lange besonders intensiv begleiten durften. Wir lasen zunächst die Dramenvorlage, besuchten professionelle Proben an der Landesbühne und schließlich auch die Premiere und die anschließende Premierenfeier am 11.03.2017.
In unseren „Tagebüchern“ haben wir dieses besondere Projekt reflektiert:
01.02.2017
Erster Eindruck nach der Lektüre des Dramas:
Mein erster Eindruck von „Unschuld“ ist positiv, da es mal eine andere Art von einem dramatischen Werk ist. „Unschuld“ von Dea Loher ist gut zu verstehen, da es modern ist und die Sprache dementsprechend einfacher als z.B. bei Antigone ist. Jedoch war es in manchen Szenen schwer nachvollziehbar, um wen es sich handelt bzw. wer spricht. Am Anfang fand ich es verwirrend, dass viele Geschichten parallel ablaufen, was sich jedoch nach den ersten Kapiteln verändert. Zudem bin ich der Meinung, dass die Geschichte sehr interessant geschrieben ist. Die Frage der Schuld, wie und ob man sich ent-schuld(ig)en kann, war sehr spannend und regte zum Nachdenken über das eigene Verhalten an.
10.02.2017
Erste Probe:
Da es das erste Mal ist, dass ich bei einer Theaterprobe dabei bin, hatte ich sehr viele Fragen und Vorstellungen. Ich wollte beispielsweise wissen, ob es bei den ersten Proben schon ein Bühnenbild und Kostüme gibt, ob schon in Kostümen geprobt wird, wie oft man probt, ob man direkt auf der Bühne spielt, wie nah das Stück am Text liegt, wie streng Proben sind, wie die dunkelhäutigen Figuren umgesetzt werden…
Diese zahlreichen Fragen haben sich heute ab 19:00 Uhr nach und nach beantwortet. Als wir ankamen, wurden wir direkt freundlich aufgenommen und erst einmal in das Stück eingeführt. Hier wurde auch schon die erste Frage geklärt, denn wir wurden in einen Proberaum geführt, in dem die Bühne provisorisch aus alten Bühnenbildern, die uns sogar teilweise bekannt waren, aufgebaut war. Die Regisseurin, Eva Lange, war sehr locker und offen und sagte, dass wir alles fragen dürften. Neben Frau Lange haben wir auch die Dramaturgin, Souffleuse, Regieassistentin und ein paar Schauspieler kennengelernt. Nachdem sich alle vorgestellt hatten, wurde uns Figurinen gezeigt. Figurinen sind Skizzen, welche die Kostüme der Schauspieler darstellen. Danach wurde uns das Bühnenbild gezeigt, welches nicht auf der Bühne stand, sondern als Miniaturform aufgestellt war.
Dann fing die eigentliche Probe an. Die erste Szene, die wir sehen durften, war ein Dialog zwischen zwei weiblichen Figuren (Rosa und Frau Zucker). Da die Schauspielerin, die Rosa spielt, nicht da war, übernahm die Regieassistentin ihre Sprechakte. Die Schauspielerin hatte schon ein Kostüm an, jedoch war es ein Probekostüm, welches dem Auftrittskostüm ähnelte. Die anderen Szenen waren genauso interessant wie die erste. Da die Schauspieler sehr gut drauf waren, war ich schon gespannt, wie die anderen so sind.
Die Probe hat mir sehr gefallen, weil alle Schauspieler offen waren und sogar zwischendrin Witze gemacht haben. Beispielsweise wurden manche Szenen mit lustigen Akzenten gespielt, was ich nicht gedacht hätte, da ich dachte, dass die Proben strenger ablaufen. Schockiert hat mich jedoch, dass die Schauspieler 2x täglich 4 Stunden proben müssen. Ich bin schon gespannt, wie die nächste Probe abläuft und ob man eine Veränderung/Verbesserung der Szenen sieht.
22.02.2017
Zweite Probe:
Heute war die zweite Probe, bei der wir dabei sein durften. Dieses Mal waren mehrere Schauspieler da, auch welche, die wir noch nicht kannten.
Als wir angekommen waren, fing die Probe diesmal sofort an, ohne dass groß über irgendetwas gesprochen wurde. Wir konnten also dieses Mal eine Probe verfolgen, die genauso abläuft, wie sie es auch tut, wenn keine Zuschauer dabei sind. Die Regisseurin erzählte, dass „Unschuld“ ein ganz besonderes Stück für sie sei, denn sie leitet das letzte Mal Regie für ein Stück in Wilhelmshaven, da sie danach die Intendanz des Hessischen Landestheaters übernimmt. Außerdem wollte sie uns heute ihre Lieblingsszenen des Stückes zeigen und hat uns damit nicht zu viel versprochen.
Wir durften erneut die Szene zwischen Frau Zucker und Rosa sehen, dieses Mal war die Schauspielerin von Rosa auch da. Die Szene hat sich sehr gut entwickelt und wurde noch viel besser, als sie bei der ersten Probe schon war. In dieser Szene spielte auch Franz, der Freund von Rosa, mit. Sie alle befinden sich in einer Art Loch, wo man nur ihre Oberkörper sehen kann. Da zwischen den Szenen Ab- und Aufgänge sind, mussten die Schauspieler sich also in diesem engen Raum perfekt verhalten, damit alle Ab- und Aufgänge passen, da alle Schauspieler gleichzeitig abgehen sollten. Ich war verwundert, wie aufwendig solche Dinge sind. Ich dachte, dass solche Dinge eher Nebensache sind und gar nicht so zeitaufwendig sind, wie sie im Endeffekt aber sind. Eine weitere Szene von vielen war, wo der Flüchtling Fadoul auf die blinde Absolut trifft. Ich habe mich vor der Probe gefragt, wie die Blindheit von Absolut und die eigentlich dunkle Hautfarbe von Fadoul künstlerisch umgesetzt wird. Im Endeffekt wurde Fadoul nicht angemalt, was ich persönlich sehr gut finde, da das Kostüm schon dazu beiträgt, dass er wie ein Flüchtling aussieht. Die Blindheit von Absolut wurde sehr überzeugend dargestellt und die Schauspielerin passte sehr gut zur Rolle. Sie hatte alle visuellen Reflexe ausgeblendet, sodass die Blindheit sehr real war.
Zusammenfassend haben mir beide Proben sehr gefallen, da man tiefe Einblicke in die Theaterwelt bekommen hat. Ich habe sehr viele Dinge gelernt und es haben sich viele Fragen beantwortet. Des Weiteren fand ich interessant, wie die Regisseurin jede Kleinigkeit perfekt macht und nicht nur negative, sondern auch positive Kritik gibt. Ich bin schon gespannt, was sich alles bis zum fertigen Stück tut und wie das Bühnenbild umgesetzt wird.
11.03.2017
Nach der Premiere:
Auch an die heutige Premiere hatte ich viele Erwartungen. Ich habe mich beispielsweise gefragt, wie sehr die Kostüme von den Probekostümen abweichen, wie das Bühnenbild gelungen ist und noch viel mehr.
Da uns die besten Szenen in den Proben schon gezeigt wurden, war meiner Meinung nach keine große Überraschung mehr dabei. Man wusste, wann welche Szene kommt und wie die Schauspieler das umsetzen. Dies fand ich etwas schade, da es kaum noch Szenen gab, die einen verwundert haben o.Ä.. Dennoch fand ich, dass man von den Proben bis hin zum fertigen Stück noch viele Verbesserungen sehen konnte. Außerdem habe ich mich gewundert, dass die Akzente teilweise wirklich in der Hochhausszene geblieben sind, da ich es in der Probe nur als Spaß empfunden habe und nicht gedacht hätte, dass es in der Szene bleiben würde. Die Schauspieler wirkten kaum aufgeregt und hatten auch keine Patzer.
Das Bühnenbild wurde sehr gut umgesetzt und war fast identisch mit der Miniatur-Bühne, die uns in der ersten Probe gezeigt wurde. Gerade die Auf- und Abgänge habe ich genau beobachtet, da sie in der Probe so ausführlich besprochen wurden. Ich habe nun gemerkt, dass sie nicht zu unterschätzen sind und auch auf kleine Dinge sehr geachtet werden muss.
Auch die Darstellung der zu Beginn ertrunkenen Frau fand ich sehr gut. Dass sie immer wieder ihren Auftritt hatte, wenn von ihr gesprochen wurde, hat eine teilweise bedrückende Atmosphäre geschaffen. Vielleicht wäre es aber auch ohne die Auftritte besser gewesen, da so mehr Interpretationsfreiraum gewesen wäre, wer die ertrunkene Frau ist.
Zusammenfassend fand ich das Stück sehr gut umgesetzt, jedoch wäre es spannender gewesen, wenn die besten Szenen nicht vorher in der Probe gezeigt worden wären. Insgesamt war es eine sehr interessante Erfahrung, Teil einer Patenklasse zu sein, da wir so vieles gelernt und so viele Eindrücke gewonnen haben, die ein üblicher Aufführungsbesuch nicht ermöglicht.
Quelle der Bilder: Landesbühne Nord